Warum du Investoren VOR dem Crowdfunding suchen solltest (Teja Philipp)

Warum du Investoren VOR dem Crowdfunding suchen solltest: Ein Gründer erzählt

Als ich selbst vor anderthalb Jahren in das Crowdfunding-finanzierte Startup Spyra investiert habe, habe ich das gemacht, noch bevor ich das fertige Produkt in den Händen halten konnte.

Dass die Spyra One in dem Jahr das erfolgreichste deutsche Crowdfunding-Projekt war, hat definitiv mein Interesse geweckt – der Markt war also da.

Aber obwohl es einen Prototypen der Hightech-Wasserpistole gab, war die sprichwörtliche Kuh zu dieser Zeit noch lange nicht vom Eis. Deshalb habe ich mich gemeinsam mit meinen technisch versierten Co-Investoren vor dem Investment erst einmal zwei Stunden mit den Gründern zusammengesetzt und eine intensive Due Diligence zur Produktionsplanung und der IP-Situation gemacht.

Warum eine erfolgreiche Kickstarter-Kampagne nicht unbedingt ein Investment bedeutet

Nicht jeder Investor – mich normalerweise eingeschlossen – gibt Crowdfunding-finanzierten Startups bei jedem Investment so einen Vertrauensvorschuss. Denn ein strahlender Crowdfunding-Erfolg ist nicht das Ende der Fahnenstange. Jeder Crowdfunder weiß, dass jetzt die eigentliche Arbeit erst beginnt: Das Produkt muss produziert und ausgeliefert werden. (Was passiert, wenn dieser Teil schiefgeht, erzählt Amabrush-Gründer Marvin Musialek sehr persönlich in diesem Blogpost.)

Auch das Team des Münchner Startups Mr Beam Lasers hat die Erfahrung machen müssen, dass eine enorm erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne nicht automatisch ein sicheres Ticket zum Investoren-Investment bedeutet.

Mr Beam entwickelt und verkauft einen Desktop-Lasercutter, mit dem auch ungelernte Nutzerinnen und Nutzer leicht eine Vielzahl unterschiedlicher Materialien schneiden und gravieren können. Sein erstes Lasercutter-Kit verkaufte Mr Beam Lasers 2014 erstmals über eine Kickstarter-Kampagne. 2016 launchte das Startup eine zweite Kampagne für den weiterentwickelten Lasercutter Mr Beam II, die zur zweiterfolgreichsten deutschen Crowdfunding-Kampagne bis heute wurde.

Deshalb solltest du schon vor deiner Crowdfunding-Kampagne einen Investor suchen: Ein Gründer erzählt

Teja Philipp ist Gründer und Geschäftsführer von Mr Beam Lasers. In meinem Buch Startup-Finanzierung erläutert er:

Teja Philipp, Gründer und Geschäftsführer von Mr Beam Lasers

Teja Philipp, Gründer und Geschäftsführer von Mr Beam Lasers

„Nachdem wir 2017 für den Mr Beam II auf Kickstarter knapp eine Million Euro eingesammelt hatten, begannen wir, nach einem Investor zu suchen, um unser Unternehmen bis zur tatsächlichen Auslieferung und dem regulären Markteintritt zu finanzieren.

Es stellte sich heraus, dass unsere anfängliche Erwartung, durch die erfolgreiche Kickstarter-Kampagne leicht einen Investor finden zu können, ziemlich naiv war. Investoren investieren nicht in reine Ideen, sondern zusätzlich in die gute Umsetzung und Vermarktung der Idee. Eine erfolgreiche Kickstarter-Kampagne ist für den Investor erst mal eine gute Idee – inklusive Beweis des Potenzials. Die eigentliche Entscheidung hängt jetzt davon ab, wie du und dein Team das Projekt umsetzen.

Und Investoren nach der Kampagne anzusprechen, ist eine Steilvorlage für sie, sich deine Aktivitäten bis zur Auslieferung erst einmal anzuschauen.

Eigentlich hatten wir hier gute Karten: Viele finanzielle Fallstricke konnten wir bei unserer zweiten Kampagne vermeiden, da wir bereits aus den Erfahrungen der ersten viel gelernt haben. Wir ließen unseren Steuerberater beispielsweise einen speziellen Deal aushandeln, um nicht sofort die gesamte Umsatzsteuer für die vermeintlichen „Einnahmen“ zahlen zu müssen und so größere Liquidität zu haben. Und wir hatten bereits vor Kampagnenstart alle Angebote mit unseren Lieferanten auf die letzte Schraube ausgehandelt. Denn unsere Erfahrung war, dass eine erfolgreiche Kampagne manche Lieferanten durchaus motiviert, einen maximalen Anteil des Kickstarter-Erfolgs absahnen zu wollen.

Dennoch spielte die Zeit in dieser Situation gegen uns, denn je länger wir brauchten, desto mehr standen wir mit dem Rücken zur Wand.

In unserem Fall kam sogar noch höhere Gewalt dazu: Durch eine plötzliche Gesetzesänderung, die unsere Zertifizierung verzögerte, verschob sich unsere Auslieferung um mehr als ein Jahr – ein Jahr, in dem die Fixkosten unseres Unternehmens weiterliefen, während wir keine Umsätze machten. So etwas kann immer passieren, und dadurch war unser Verhandlungsspielraum gegenüber dem Investor leider sehr klein.

Ich würde daher jedem raten, Investoren bereits ein halbes Jahr vor der geplanten Kampagne anzusprechen.

Mit der Idee gewinnst du ihr Interesse, mit dem Projekt „Kampagne“ demonstrierst du die Umsetzungskraft deines Teams, und am Ende kannst du deinen Crowdfunding-Erfolg dann als überzeugenden Meilenstein präsentieren. Außerdem ermöglicht dir ein Investor in der Hinterhand, bereits vor der Kampagne größer zu denken: Du kannst mehr Leute für die Unterstützerbetreuung einstellen, Partnerschaften und neue Vertriebskanäle anstoßen und gleich in größere Produktionskapazitäten investieren.“

Mehr zu Crowdfunding für dein Startup

Du möchtest mehr darüber erfahren, ob Crowdfunding für dein Startup das Richtige sein könntest und wie du eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne durchführst? In meinem Buch „Startup-Finanzierung“ findest du ein ausführliches Kapitel dazu, unter anderem mit folgenden Themen:
Startup Finanzierung - Buch-Cover

  • Was ist Crowdfunding und welche Arten von Crowdfunding gibt es?
  • Was sind die Voraussetzungen, Vorteile und Nachteile von Crowdfunding?
  • Was ist Eigenkapitalbasiertes Crowdfunding (Crowdinvesting)?
  • Was ist Kreditbasiertes Crowdfunding (Crowdlending)?
  • Was ist Crowdfunding über Initial Coin Offerings (ICOs)?

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Was passiert, wenn dein Crowdfunding-Versprechen platzt (Marvin Musialek)

Was passiert, wenn dein Crowdfunding-Versprechen platzt

Beim Launch meines Buchs „Startup-Finanzierung“ lief einiges anders als geplant.

Die Hardcover-Edition war zunächst nicht lieferbar, dann doch – dann wieder nicht… Die Kindle-Edition war zwar von Anfang an verfügbar, dafür gab es mit dem Rabatt Schwierigkeiten. Und das alles, nachdem ich bereits in meinem gesamten Netzwerk groß verkündet hatte, dass mein Buch endlich bestellbar wäre! 🙈

Ärgerlich, aber andererseits auch kein Weltuntergang. Inzwischen sollte jeder seine Wunschausgabe von „Startup-Finanzierung“ bekommen haben (wenn nicht, schaut auf Amazon vorbei!).

Dennoch war ich in diesen Momenten froh, dass sich eine Buch-Veröffentlichung in einigen Punkten deutlich von einer Crowdfunding-Kampagne auf Kickstarter unterscheidet.

Crowdfunding: Fluch und Segen der starken Aufmerksamkeit

Das Potenzial einer erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne ist zwar enorm, wie es Spyra im Sommer 2018 mit seiner Hightech-Wasserpistole auf Kickstarter vorgemacht hat. Vom Marketing dieses Startups, in das ich auch investiert bin, habe ich mir einiges abschauen können.

Bei den Interviews zu meinem Buch habe ich aber auch gelernt, dass anfängliche Begeisterung und Medienaufmerksamkeit für ein Produkt übel zurückschlagen können. Das ist einem Gründer passiert, den ich für „Startup-Finanzierung“ interviewt habe.

Tod durch Kickstarter: Das Beispiel Amabrush

Im Sommer 2017 sammelte das österreichische Startup Amabrush mit einer automatischen Zahnbürste, die alle Zähne auf einmal in nur zehn Sekunden putzt, auf Kickstarter und Indiegogo über 4,6 Millionen Euro ein. Als sich die Auslieferung verzögerte, schlug die anfängliche Begeisterung – hauptsächlich in Deutschland und Österreich – in einen Shitstorm um.

Die öffentliche Kritik strahlte bis in die Medien aus. Dies beunruhigte die internationalen Investoren des Startups so sehr, dass sie die zu diesem Zeitpunkt geplante Finanzierungsrunde absagten. Im Juni 2019 sah sich Amabrush schließlich gezwungen, Insolvenz anzumelden.

Noch heute kämpfen die Gründer mit den Folgen des Auslieferungs-Fails (wie der Brutkasten vor einigen Tagen berichtete).

„Der öffentliche Druck war enorm, während wir an allen Fronten kämpften, um unser Produkt auszuliefern“

Im Interview für „Startup-Finanzierung“ hat mir Amabrush-Gründer Marvin Musialek nach der Insolvenz des Startups erläutert, wie er die Zeit nach dem extremen unerwarteten Erfolg der Kampagne erlebte.

Er berichtet:

Marvin Musialek, Gründer von Amabrush

Marvin Musialek, Gründer von Amabrush

Die schiere Menge von Vorbestellungen, ungefähr 40.000 Sets, übertraf nicht nur unsere Erwartungen bei weitem, sondern auch die unserer geplanten Entwicklungs- und Produktionspartner – die uns prompt absagten. Nun mussten wir unter hohem Zeitdruck die Entwicklung neu organisieren und uns neue Lieferanten suchen.

Als wir die Produktion dann mit einem Jahr Verspätung im August 2018 endlich starten konnten, gab es erneut Probleme.

Jedes Mal, wenn wir die Stückzahlen steigerten, gab es neue Qualitätsprobleme.

Unter dem Druck der Unterstützerinnen und Unterstützer hatten wir aber bereits begonnen, die von unserem Hersteller freigegebenen Amabrush-Sets auszuliefern, die sich im Nachhinein als teilweise defekt herausstellten.

Die Folge waren viele Beschwerden von wütenden Unterstützerinnen und Unterstützern, die ihrem Unmut natürlich auch öffentlich Luft machten:

Kritischer Kommentar zu Amabrush auf Kickstarter

Kritischer Kommentar zu Amabrush auf Kickstarter

Die nächsten fünf Monate arbeiteten wir hart daran, diese erneuten Qualitätsprobleme auszumerzen, unter anderem mit einem erneuten Lieferantenwechsel. Seit Februar 2019 lief es gut und die Beschwerden gingen stark zurück. Aber immer noch posteten Leute wütende Kommentare auf unseren Kanälen.

Das war kein gutes Gefühl, auch wenn wir wussten, dass es nur etwa 30-40 Leute von 30.000 waren, die dort gegen uns mobil machten. Wenn wir die Kommentarseiten lasen, fühlte es sich manchmal so an, als ob alle Unterstützer gleich denken würden!

Wir waren keine Profis im Community Management und wussten einfach nicht, wie wir mit unzufriedenen Unterstützern umgehen sollten.

Jedes Update, jede Email an Einzelne wurde sofort veröffentlicht. Wir haben schließlich nur noch schwammige Aussagen gemacht oder uns gar nicht mehr geäußert, da wir das Gefühl hatten, es würde sowieso alles gegen uns verwendet.

So ist es uns leider – trotz zuletzt professioneller Unterstützung in der Kommunikation – auch nicht gelungen, zu vermitteln, dass wir kein gesichtsloser Konzern, sondern ein junges Startup sind, in dem die Leute bis spät in die Nacht arbeiten, um das Produkt auszuliefern.

Für mich war diese Zeit auch persönlich sehr stressig, denn ich habe mich natürlich für mein Team verantwortlich gefühlt, das an allen Fronten kämpfte.“

– Marvin Musialek, Gründer von Amabrush

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  • Was ist Crowdfunding und welche Arten von Crowdfunding gibt es?
  • Was sind die Voraussetzungen, Vorteile und Nachteile von Crowdfunding?
  • Was ist Eigenkapitalbasiertes Crowdfunding (Crowdinvesting)?
  • Was ist Kreditbasiertes Crowdfunding (Crowdlending)?
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