Wann der richtige Zeitpunkt ist, Kapital aufzunehmen: Ein Gründer erzählt
In meinem letzten Blogpost habe ich die Frage gestellt: Willst du das Investment wirklich? Denn jedes Investment kommt mit dem Preis der Verwässerung.
Wenn du dich entschieden hast, dass ein Investment dein Startup weiterbringen wird, bleibt aber noch eine zweite Frage: Wann willst du das Investment? Wann ist der richtige Zeitpunkt, um Geld von Investoren aufzunehmen?
Wenn du dir nicht genau überlegst, wie viel Geld dein Startup wirklich benötigt, passiert es dir mit hoher Wahrscheinlichkeit bei deiner nächsten Finanzierungsrunde, dass du entweder zu viel oder zu wenig Geld aufnimmst. Und das bringt Probleme mit sich.
Zu frühes Investment: Risiko einer zu hohen Verwässerung
Wir kennen einige Gründerinnen und Gründer, die es bereut haben, früh Investoren aufzunehmen. Denn im Rückblick hätten sie es länger aus eigener Kraft geschafft. Sie wissen inzwischen, welche riesigen Sprünge der Wert ihres Startups macht, wenn sie neue Meilensteine erreichen.
Während der Wert einer Idee praktisch Null ist, schießt er wie eine Rakete nach oben, wenn das Startup ein Team rekrutiert hat, einen Prototypen gebaut hat, ein Produkt herausbringt, Umsätze macht und beginnt, schnell zu wachsen.
Ein Beispiel hierfür ist die unten dargestellte Entwicklung der Unternehmensbewertung von Recon Instruments. Recon Instruments war ein 2007 gegründetes Startup aus Vancouver, das 2015 an Intel verkauft wurde. Die Idee war es, Elektronik mit Sportausrüstung zu kombinieren, etwa in Schwimmbrillen, Skibrillen und Sonnenbrillen mit eingebautem Head-up-Display (HUD). Die Bewertung in den verschiedenen Unternehmensphasen stieg stetig an, nachdem das Startup jeweils neue Meilensteine erreicht hatte.
Die ersten Investments, die du aufnimmst, sind sehr teuer, da der Wert deines Unternehmens niedrig ist. Du wirst also einen großen Teil deines Unternehmens für relativ wenig Geld abgeben müssen, wenn du früh Investoren aufnimmst. Und wenn du zu früh zu viel Geld aufnimmst, hältst du am Ende vielleicht nur noch einen kleinen Bruchteil deines Unternehmens, wenn es zum Unternehmensverkauf (Exit) kommt. Diese Verwässerung beeinflusst nicht nur deinen finanziellen Ertrag, sondern auch deine Möglichkeiten, das Unternehmen zu steuern.
Zu spätes Investment: Risiko für dein Unternehmen
Die Medaille hat aber auch eine andere Seite. Es ist mindestens genauso gefährlich für dein Unternehmen, wenn du zu wenig Kapital aufnimmst. Denn eine Finanzierungsrunde beansprucht einen beachtlichen Anteil deiner Management-Kapazität.
Gründerinnen und Gründer unterschätzen immer wieder, dass es in der Regel mindestens sechs Monate dauert, eine Finanzierungsrunde vorzubereiten und abzuschließen. Die Zeit, die du für die Suche nach Investoren, deren Ansprache und die Verhandlungen aufwendest, fehlt dir für die Weiterentwicklung deines Produkts, den Aufbau deines Teams oder die Akquise deiner Kunden.
Nimmst du zu wenig Geld auf, musst du gleich nach der Kapitalaufnahme schon wieder mit der Investorensuche für die nächste Runde beginnen – ohne dass du Zeit hast, in der Zwischenzeit an deinem Kerngeschäft zu arbeiten.
Das gefährdet nicht nur dein Unternehmen insgesamt, sondern verhindert auch, dass du in der Zwischenzeit Meilensteine erreichst, die den Wert des Unternehmens steigern und dir bessere Konditionen für die nächste Runde ermöglichen.
Ein Gründer rät: Sammle Kapital erst dann ein, wenn es für dein Unternehmen einen Unterschied macht
Der richtige Zeitpunkt, um Kapital aufzunehmen, ist also keine festgelegte Zahl – etwa: nach einem Jahr – sondern eine strategische Überlegung.
Für mein Buch Startup-Finanzierung habe ich Hanno Renner, Gründer und Geschäftsführer des erfolgreichen HR-Software-Startups Personio, zu seiner Finanzierungsstrategie gefragt. Das 2015 gegründete Startup bietet eine Software für Personalmanagement und Recruiting für kleine und mittelständische Unternehmen. In seiner C-Finanzierungsrunde hat Personio Anfang des Jahres 75 Millionen US-Dollar aufgenommen, unter anderem von dem internationalen VC-Fonds Accel.
Hanno Renner rät Gründerinnen und Gründern:
„Natürlich haben wir bei unserer Finanzierungssuche davon profitiert, dass unser SaaS-Unternehmen für VC-Fonds gerade sehr attraktiv war. Die Börsengänge von Slack und Zoom zeigen, wie viel Wert in dem Bereich generiert werden kann, und das Geschäftsmodell mit seinen wiederkehrenden, stabilen Umsätzen ist gut planbar. Außerdem sind wir schnell gewachsen: Unsere Umsätze hatten sich jedes Jahr bereits verdrei- oder vierfacht.
Mein Rat an Gründerinnen und Gründer ist dennoch: Sammle Kapital nicht dann ein, wenn du kannst, sondern dann, wenn du damit etwas anders machen kannst.
Zum Beispiel, wenn du dein Wachstum damit noch mehr beschleunigen kannst. Ein halbes Jahr vor unserer Seed-Runde hätte uns mehr Geld gar nichts gebracht: Wir mussten erst einmal unseren eigenen Business Case entwickeln und uns mit dem eigenen Geschäft vertraut machen. Da wollten wir niemanden, der uns reinquatscht.“
Mehr zur Finanzierungsstrategie für Startups
Wenn du noch mehr Insider-Tipps zur Finanzierungsstrategie für dein Startup suchst, findest du in meinem Buch „Startup-Finanzierung“ mehrere ausführliche Kapitel dazu. Unter anderem zu folgenden Themen:
- Braucht dein Startup wirklich externes Kapital?
- Wann der richtige Zeitpunkt für ein Investment ist
- Wie dein Startup ohne externes Kapital startet und wächst
- Wie viel dein Startup wert ist
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